An der Schwelle von Licht und Dunkel

Da ich länger in Wiesbaden gelebt habe und mit der Jawlensky-Sammlung des Wiesbadner Museums aufgewachsen bin, war ich früh von Jawlenskys serieller Arbeitsweise eingenommen, insbesondere der fortschreitenden Formenreduktion zugunsten der Farbe im Motiv der Köpfe. In Wien traf ich in der Mumok-Sammlung auf Jawlenskys „Rosa Wicken“ – ein Gemälde, dessen Hell-Dunkel den Eindruck einer labilen Sichtbarkeit hervor ruft. Die zarte Erscheinung der Blatt- und Blütenfarben vor dem gemalten Dunkelgrund wirkt in einer Weise flüchtig, dass man sich unwillkürlich vorstellt, die Pflanzen seien einer leichten Luftbewegung ausgesetzt, mit der ihre Anblick von Augenblick zu Augenblick variiert. Gebannt an der Schwelle von Licht und Dunkel, zwischen Auftauchen und Verschwinden, erinnern mich die „Rosa Wicken“ an Jawlenskys „Meditationen“ – das ganze Panorama dieser späten, stark reduzierten Bilder, die in der Wiederholung und minimalen Variation ihres Motivs Zeit darstellen und dabei irgendwie auch stillstehen lassen.

Siehe auch:

Jawlensky: Meditationen

Jawlensky und Albers. Farbe. Abstraktion. Serie.

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